Besondere Umstände, mehr Aufwand, aber gleiche Leistungsfähigkeit: Diabetes und (Leistungs-) Sport sind vereinbar. Das zeigen auch prominente Beispiele.
Der 18. Geburtstag verändert vieles im Leben eines Menschen: Endlich ist er mündig, darf selbst entscheiden, Auto fahren, so lange ausgehen, wie er will. Bei Matthias Steiner war das auch so – allerdings mit einem bitteren Zusatz, denn neben der Volljährigkeit, den vielen Geschenken und Gratulationen bekam er auch eine Diagnose, die sein Leben veränderte: Diabetes Typ 1. Steiner, der talentierte Gewichtheber, aktiv, sportlich – und auf einmal krank.
„Ich dachte, das Leben ist vorbei. Das war schon eine ordentliche Ohrfeige“, erzählte Steiner einmal in der ARD-Fernsehsendung „Planet Wissen“. Er wusste nicht, was auf ihn zukam, hatte sogar Todesangst. Ihm ging es wie den meisten jungen Menschen. „Diabetes interessiert dich nicht, solange du nicht davon betroffen bist“, sagte Steiner. Plötzlich war er betroffen und musste über Wochen im Krankenhaus bleiben. Als sich sein Stoffwechsel wieder stabilisiert hatte, konnte Steiner nicht mehr die Füße still halten: Er stieg auf einen Fahrradergometer. Es ging gut, ihm ging es gut, und nach Rücksprache mit seinen Ärzten begann er auch wieder mit dem Krafttraining: „Für mich war diese Entscheidung essenziell. Sport ist mein Leben und mein Traum war es, Profi-Gewichtheber zu werden.“
Europameister, Olympiasieger und Weltmeister
Das gelang ihm – und wie! 2008 startete der gebürtige Österreicher erstmals für Deutschland, er wurde Europameister und Olympiasieger, 2010 Weltmeister. Kurzum: Er hat alles gewonnen, was man als Gewichtheber gewinnen kann. 2013 beendete Steiner seine Profikarriere. Heute gilt er als „Deutschlands Vorzeige-Diabetiker“ und gibt auch Tipps, wie man trotz der Krankheit ein normales Leben führen und Hochleistungen bringen kann.
Die Geschichte von Matthias Steiner zeigt: Sport und Diabetes – das geht. Auch Leistungssport, wie weitere Beispiele wie Boxer Enrico Kölling, Sprinter Daniel Schnelting oder Ex-Fußballprofi Dimo Wache beweisen. Für sie und auch für Freizeitsportler gibt es aber einige Dinge zu beachten. „Natürlich ist die ständige Beschäftigung mit dem Stoffwechsel lästig“, sagt Steiner. „Aber das Blutzuckermessen, Insulinspritzen und Berechnen der stoffwechselrelevanten Faktoren ist für einen Diabetiker nun mal so notwendig wie ein Bissen Brot.“ Wir klären die wichtigsten Fragen zum Thema.
Diabetes – Typen und Verbreitung
Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, durch die der Körper den Blutzucker nicht mehr selbstständig im Gleichgewicht halten kann. Diabetiker Steiner wählt einen passenden Vergleich: „Gesunde fahren ein Automatikauto, ich fahre eines mit Handschaltung.“ Mehr Aufwand, aber machbar. Typ 1 und Typ 2 sind die wichtigsten Ausprägungen dieser Krankheit. Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunkrankheit, die eine Zerstörung der insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und damit einen akuten Insulinmangel auslöst.
In Deutschland sind etwa 600.000 Menschen daran erkrankt, oft bereits im Kindesalter. Rund sechs Millionen Deutsche leiden unter Typ-2-Diabetes. Bei ihnen baut das körpereigene Insulin den Zucker im Blut nicht mehr so wirksam ab, es kommt zur Insulinresistenz. Typ-2-Diabetes tritt meist erst im höheren Lebensalter auf. Als Ursachen gelten erbliche Veranlagung, Übergewicht und Bewegungsmangel.
Diabetes & Sport: Geht das überhaupt?
Diabetes und Sport Läufer
Sport und Diabetes – das ist nicht nur vereinbar, sondern hat sogar einen positiven Effekt. „Wird ein Diabetes Typ 2 diagnostiziert, lautet eine der ersten Aufgaben: Gewicht reduzieren und Sport treiben“, sagt Ralf Brügel. Er ist Arzt und Vereinsvorsitzender der Leichtathletikabteilung der SG Schorndorf. Und er weiß: „Regelmäßiger Sport kann den Krankheitsverlauf bei Typ 2 positiv beeinflussen.“ Wenn der Fettgehalt im Körper nicht mehr steigt oder sogar gesenkt wird, braucht der Körper weniger Insulin und auch die Insulinresistenz nimmt nicht weiter zu. Ein direkter Einfluss auf den Verlauf von Diabetes Typ 1 wird Sport dagegen nicht zugerechnet. Wohl aber ein positiver, indirekter: „Diabetiker mit Typ 1 haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Arteriosklerose und Gefäßverengungen als Folgeerkrankungen. Häufiger Sport wirkt diesem Risiko entgegen“, sagt Brügel.
Was gilt es zu beachten?
Wer Sport treibt, muss laut Brügel bedenken, dass sich der Energieumsatz und damit auch der Zuckerbedarf erhöht. Das gilt für Freizeit- wie Leistungssportler. Entspre-chend muss auch die Regulierung des Energiehaushalts angepasst werden. Sonst droht vor allem bei Diabetes Typ 2 eine Unter- oder Überzuckerung. „Beides ist ungesund und schädlich. Gefährlicher aber ist eine Unterzuckerung, hier kann es schnell zu einem Kreislaufkollaps kommen“, sagt Brügel. Das sei aber kein Grund, auf Sport zu verzichten. Die Beratung durch einen Arzt, das Einhalten der besprochenen Insulindosis, das Achten auf mögliche Anzeichen der Unterzuckerung und die sich entwickelnde Eigenroutine sorgen für Sicherheit. Eine weitere Möglichkeit bietet der Einsatz einer Insulinpumpe, die den Blutzuckerspiegel automatisch reguliert.
Welche Disziplinen eignen sich am besten für Hobbysportler?
Alle mit eher niedriger Intensität. Brügel erklärt: „Radfahren oder Joggen weit unter der Belastungsgrenze bietet sich gerade bei Diabetes Typ 2 an, weil hier besonders die Fettverbrennung angeregt wird.“